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Ein Ruf aus der Ferne

Seit fast 3 Monaten wohne ich (Tom Behringer) nun in Göttingen (Niedersachsen) und studiere dort Soziologie und Philosophie. Mit dem Schach wollte ich aber natürlich nicht aufhören und spiele beim KSV Rochade Göttingen in der Jugendlandesliga Niedersachsen an Brett 1. Bis jetzt habe ich dort 2/3 gegen einen Gegnerschnitt von 1900 geholt und habe nun kurz vor Weihnachten mein erstes Open seit dem Umzug mitgespielt. Da ich mich aber dem SK Doppelbauer Kiel noch immer sehr verbunden fühle möchte ich hier einmal über meine neuen Erfahrungen bzgl. Schach berichten.

Jedes Jahr findet am dritten Adventswochenende auf Schloss Mansfeld in Sachsen-Anhalt die Offene Kreiseinzelmeisterschaft Südharz statt. Aus meinem neuen Verein sind auch ein paar andere Jugendliche schon mehrfach dabei gewesen und da habe ich natürlich die Gelegenheit genutzt und das Turnier auch mitgespielt. Am Freitag ging es nachmittags los ins 150km entfernte Mansfeld und abends wurde dann direkt die erste Runde gespielt. Am Samstag und Sonntag standen jeweils 2 weitere Runden an, sodass insgesamt 5 Runden Beschleunigtes Schweizer System mit 2h+30 min gespielt wurden. In der Startrangliste stand ich mit meinen 1799 an Rang 13 von fast 100 Teilnehmern, der stärkste Teilnehmer hatte geradeso 2100, also alles schlagbare Gegner dachte ich mir ;) Mein einziges Ziel war nur über meiner Erwartung zu spielen um so der 2000 näher zu kommen, die ich noch erreichen möchte.

Bei einem fünfrundigen beschleunigten Schweizer System erhält die obere Hälfte der Startrangliste für die ersten 2 Runden einen virtuellen Zusatzpunkt, der danach wieder entfernt wird, um schneller spannende Paarungen zu ermöglichen. In der ersten Runde durfte ich so gegen einen 1650er vom Ausrichterverein antreten. Da ich gerade dabei mein Repertoire von Damengambit (Weiß) und Französisch (Schwarz) auf e4 (Weiß) und e5 (Schwarz) umzustellen und die Varianten erst teilweise sitzen, war mir vor dem Turnier nicht ganz klar was ich genau spielen würde. Französisch war mir deutlich zu passiv geworden, aber Damengambit gefiel mir immer noch gut, solange ich es etwas taktisch halten konnte. In den Ligapartien hatte ich so gegen einen 2000er nach guter Eröffnung (Damengambit) und Mittelspiel mich noch im Endspiel überspielen lassen, in der 2.Runde das Jänisch-Gambit gegen Spanisch ausgepackt und einen 1900er schon aus der Eröffnung herausbesiegt und in der 3.Runde gegen Sizilianisch mit dem Morra-Gambit einen Kurzsieg gegen einen 1800er erzielt. Da leider gar keine Zeit zwischen Auslosung und Rundenbeginn blieb, fiel die Vorbereitung auf meinen Gegner aus und ich beschloss mich auf Französisch zu verlassen um nicht auf unbekannte Pfade zu gelangen. Eine schlechte Wahl, wie ich bald feststellte. Jeder, der mich kennt weiß, dass ich immer auf Sieg spiele und da war Französisch-Abtausch natürlich das letzte was ich auf dem Brett sehen wollte. Schnell war einiges an Material abgetauscht und ich ärgerte mich schon mich gegen e5 entschieden zu haben. Doch dann begann mein Gegner passive Züge zu machen und es gelang mir die einzigen beiden offenen Linien zu besetzen und konnte so eine Bauernschwäche erzwingen. Als ich dann die Möglichkeit den Bauern unter Entlastung der gegnerischen Stellung einzukassieren suchte ich lange nach einem konkreten Gewinn und beschloss dann mit noch 10 min für 5 Züge den Bauern zu nehmen. Im entstandenen Endspiel konnte ich den Mehrbauern nur halten, indem ich 2 Türme für die Dame gab, was in eine schnelle dreifache Stellungswiederholung mündete. In der anschließenden Analyse stellte ich dann fest, dass ich wirklich keinen konkreten "Ausmacher" hatte und die besten Siegchancen mit kleinen Stellungsverbesserungen statt dem Bauerngewinn gehabt hätte. Der Computer fand nach einiger Berechnung sogar einen Plan nachdem ich gefahrlos hätte mitgehen lassen können,  doch dazu hätte ich meine eigene Königsstellung aufreißen müssen und geradezu studienartig die gegnerischen Figuren lähmen müssen. Das bewertete ich dann doch als zu unmenschlich und schloss mit dem Gedanken, dass ich nach der Eröffnung eh nur Remis verdient hatte, mit der Partie ab.

In Runde 2 bekam ich dann erneut einen ortsansässigen Spieler um die 1650 und wollte meinen ersten vollen Punkt holen. Der Blick in die Datenbank machte mir Hoffnung auf eine spannende Partie, mein Gegner spielt sowohl gegen e4 als auch d4 einen königsindischen Aufbau. Ich entschied für mich 1.d4 um die scharfe Sämisch-Variante zu erreichen, doch zu meine Überraschung entschied sich mein "erfahrener" Gegner zum ersten Mal d5 auf d4 zu erwidern. Also Damengambit und er spielte die Cambridge-Springs-Variante, in der Schwarz mit Raumnachteil oder schwachem Figurenspiel aus der Eröffnung geht, wenn Weiß nicht auf die einschlägigen Eröffnungsfallen hereinfällt. Am Brett gelang mir es aber sehr gut gute Züge zu finden und hatte deutlichen Raumvorteil im Mittelspiel. Nachdem mein Gegner sich selbst einen Doppelbauern zugefügt hatte, bekam ich die Möglichkeit einen Freibauern auf der c- oder d-Linie zu bekommen. Ich folgte Morphys Gesetz und wählte den falschen Bauern aus, mein Gegner konnte den Bauern passiv mit seinen Schwerfiguren blockieren und die Stellung schien zu verflachen. Also tauschte ich den Freibauern wieder ab um die einzige offene Linie zu besetzen, doch noch immer war kein klarer Vorteil realisierbar. Beinahe aus Verzweiflung gab ich ein paar Schachgebote ab und plötzlich wollte mein Gegner seinen König trotz Schwerfigurenendspiel aktivieren. Als er auf f5 stand wurde mir das zu bunt und ich riss intuitiv die Stellung unter Bauernopfer auf, aber mein Gegner ließ seinen König als wäre nichts gewesen wieder Richtung eigene Grundreihe laufen. Das ermöglichte aber ein Scheinopfer, nachdem er auf das falsche Feld zog und ich konnte schön Matt in 5 setzen. Nach etwas gegnerischer Mithilfe also doch noch gewonnen.

Nach der Aufhebung der virtuellen Punkte wurde ich so in der nächsten Runde gegen einen bis dato sehr erfolgreichen 1200er gelost. Hier erwartete ich das Londoner System, doch auf 1.d4 c5 folgte 2.d5 und ich entschied im Stil des Blumenfeld-Gambits zu spielen. Zwar schlich sich eine Ungenauigkeit ein, aber dann konnte ich eine Leichtfigur gewinnen und konnte hübsch zwei Leichtfiguren für ein schnelles Matt opfern. Den freien Nachmittag nutzte ich dann zum Ausruhen und beschloss mit 2,5/3, dass ich vielleicht ein bisschen mehr riskieren sollte um in die Preisränge zu kommen. 

In Runde 4 durfte ich dann gegen einen 2000er antreten, der früher in Göttingen gespielt hat und nun in Hannover studiert. Ich entschied mich mit Weiß Spanisch zu spielen, um das Jänisch-Gambit zu erreichen, was auch seine Hauptwaffe mit Schwarz ist. Die ersten 20 Züge waren scharfe Eröffnungstheorie, doch dann hatte ich mir eine trickreiche "Neuerung" überlegt. Er hatte einen gefährlichen Freibauern auf g2, der den Turm auf h1 angriff, während ich den schwarzen König im Zentrum in die Zange nahm. Wir investierten beide sehr viel Zeit und fanden die richtigen Züge. Immer wieder gelang es mir neue Drohungen aufzustellen, die die Umwandlung des g2 verhinderten, doch ein Matt war auch nicht in Sicht. Schließlich unterlief ihm ein schwerer Fehler, aber ich fand die 5-zügige Widerlegung nicht und nahm stattdessen den forcierten Übergang in ein Endspiel mit Mehrbauer. Doch dann passierte es, ich übersah eine versteckte Drohung und musste den wichtigen Freibauern wieder geben und das Endspiel wurde doch nur Remis. Meine Fehler, besser meine ungenutzten Chancen, zeigte mir erst der Computer klar in der Analyse auf. Nichtsdestotrotz war ich mit dem Remis sehr zufrieden und ich hatte auch gezeigt, dasd ich in scharfen Stellungen stärkere Gegner überspielen kann. 

Vor der 5.Runde ging dann das übliche Gerechne über die Platzierungen los. An der Spitze standen 3 Spieler mit 3,5 Punkten, 13 weitere hatten 3 Punkte. Also alles möglich bei Glück mit der Buchholz sagte ich mir und wollte klar auf Sieg spielen. Mein Gegner in der letzten Runde war ein 13-jähriget 1300er, der ein starkes Turnier und auch gegen mich gut anfing. Diesnal spielte ich Zweispringerspiel im Nachzug/Italienisches Vierspringerspiel und hatte schwer zu kämpfen. Doch dann ging mein Gegner etwas zu subtil vor und ließ einen Triplebauern zu, um meinen König mit seinen Schwerfiguren zu attackieren. Das sah zwar stark aus, aber noch stärker war meine Dame, die gleichzeitig den eigenen König schützte und den gegnerischen König aufs Korn nahm. Ein schönes Bauernopfer folgte und plötzlich war mein Gegner schon Matt in 3.

Das bedeutete 4/5 und Chance auf ganz vorne, doch das Glück war mir hier nicht hold. Zwischen Rang 3 und 6 lagen nur 1,5 Buchholzpunkte, aber mir blieb nur die Goldene Ananas und ich wurde 6. Also kein Preisrang, aber ich wurde als bester Spieler DWZ U1800 geehrt, manchmal ist es halt auch von Vorteil mit einer DWZ wie 1799 zu starten. Summa Summarum waren das Leistung 1900 und plus 20 DWZ. Aufgrund der geringen Rundenzahl und dem breiten Teilnehmerfeld schon ein zufriedenstellendes Ergebnis. Übernachtet mit Verpflegung habe ich sehr kostengünstig auf Schloss Mansfeld. Es ist zwar etwas rustikal, aber Studenten achten ja bekanntlich vor allem auf den Geldbeutel ;) Mir hat es Spaß gemacht seit langem mal wieder ein Turnier mitzuspielen und kann das Turnier auf jeden Fall weiterempfehlen, solange man sich nicht an der großen Turniergruppe, dem Turniersystem oder der Durchschnittsspielstärke <1500 stören kann. 

 

Ich freue mich sehr über Rückmeldungen zu diesem Bericht, ihr erreicht mich per Mail auf Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! Die Partien findet ihr im Folgenden!

Bis Bald

Euer Tom